Biberach – Das Projekt „Zukunft Jugendarbeit im ländlichen Raum“ hat nach gut zweieinhalb Jahren seinen Höhepunkt erreicht und soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Über den aktuellen Stand berichtete Andreas Heinzel, Vorsitzender des Kreisjugendrings Biberach, in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses. Im Mittelpunkt der Präsentation standen die Ergebnisse einer Onlinebefragung der Vereine im Kreis. Diese Befragung ist aber nur ein Baustein des dreijährigen Projekts, das dem Landkreis als Fortschreibung der Jugendhilfeplanung dienen soll.
Anfang 2013 starteten die Kreisjugendringe Biberach und Ravensburg in Kooperation mit den Jugendämtern beider Landkreise mit dem Projekt „Zukunft Jugendarbeit im ländlichen Raum“, das der Kommunalverband Jugend und Soziales und die Jugendstiftung Baden-Württemberg fördern. Ziel des Projekts ist es, Entwicklungsprozesse zur Stärkung und Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendarbeit zu initiieren und zu begleiten. Am Ende sollen die Erkenntnisse anderen Kommunen als Vorbild dienen.
Vier Modellgemeinden im Kreis
„Wir erarbeiten Strukturen, die auf kleine, mittlere und große Gemeinden angewendet werden können, um die Jugendarbeit im ländlichen Raum zu erhalten und weiter auszubauen“, sagt Heinzel. „Der demografische Wandel kommt auf uns zu, wir stehen vor vielen Veränderungen und Herausforderungen.“ Dabei spielen unter anderem der Ausbau von Ganztagsschulen, die Vielfalt von Jugendkulturen, Migration und Integration, politische Beteiligung und ehrenamtliches Engagement eine wichtige Rolle.
Vier Gemeinden im Kreis Biberach wurden 2013 als Modellgemeinden ausgewählt: Achstetten, Bad Schussenried, Ochsenhausen und Warthausen haben sich am Projekt beteiligt. Startschuss in jedem Ort war immer die sogenannte Zukunftswerkstatt (SZ berichtete). Dort haben Jugendliche, Eltern und viele andere Interessierte in Workshops Ideen zusammengetragen. Diese sollen nun teilweise umgesetzt und in den verschiedenen Gemeinderäten vorgestellt werden.
455 Teilnehmer bei Befragung
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Onlinebefragung der Vereine, die von Ende Mai bis Ende August 2014 von Ehrenamtlichen und Aktiven im ganzen Landkreis ausgefüllt werden konnte. Dort standen unter anderem Fragen zur aktuellen Situation im Verein in Bezug auf die Mitgliederzahlen, wie ehrenamtliches Engagement weiterhin attraktiv bleiben kann, welche Auswirkungen die schulische Landschaft auf das Ehrenamt hat oder auch welche Erfolgsfaktoren eine gute Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendarbeit hat, im Fokus.
„Die Onlinebefragung war sehr erfolgreich, es haben viele engagierte Leute mitgemacht“, sagt Andreas Heinzel. „Wir haben jetzt etwa acht Seiten mit Ideen und Vorschlägen nur aus den offenen Fragestellungen zusammen.“ Insgesamt sind beim Kreisjugendring 455 komplett ausgefüllte Fragebögen eingegangen. „Das ist echt eine Menge, wenn man bedenkt, dass das Ausfüllen des Fragebogens fast eine dreiviertel Stunde dauerte.“ Stark beteiligt haben sich mit knapp 40 Prozent die 18- bis 27-Jährigen. Interessant ist dabei auch, dass 40 Prozent aller Teilnehmer aus dem Bereich der Musikvereine kommen. Sportvereine und kirchliche Jugendarbeit liegen jeweils bei knapp 20 Prozent.
Als Gründe für die Abnahme von Mitgliederzahlen sehen die Teilnehmer der Umfrage vier große Bereiche: es gibt weniger Bereitschaft zu einer verbindlichen Teilnahme, die hohe schulische Beanspruchung, eine Übersättigung durch passive Alternativangebote wie beispielsweise Medien oder auch sinkendes Interesse an einer Vereinsmitgliedschaft. „Dabei stellt sich die Frage, wie wir hier gegensteuern können“, sagt Heinzel und warnt: „Die Lage in diesem Bereich könnte sich natürlich auch aufgrund des demografischen Wandels verschärfen.“
Auch ein wichtiger Punkt sei die fehlende Anerkennung der ehrenamtlichen Tätigkeit: mehr als 77 Prozent der Teilnehmer wünschen sich Ermäßigungen bei Eintritten und Einkäufen, 76 Prozent stimmen einer Steuerermäßigung zu und 73 Prozent würden sich über öffentliche Ehrungen und Auszeichnungen freuen.
Beteiligung der Jugendlichen
Bei der Weiterentwicklung der Jugendarbeit spielt ein Mitspracherecht der Kinder und Jugendlichen eine immer größere Rolle: „Die wollen beteiligt und ernst genommen werden“, sagt der Vorsitzende des Kreisjugendrings. „Und die Ehrenamtlichen fordern auch eine verstärkte Öffnung für Menschen mit Migrationshintergrund.“ Selbst organisierte Treffs, Buden und Räume stehen auf der Prioritätenliste ebenfalls ganz oben.
Neben der Online-Umfrage gab es auch eine Befragung von Bürgermeistern im Kreis, diese Ergebnisse befinden sich noch in der Auswertung. Alle Ergebnisse werden noch im diesem Sommer in regionalen Veranstaltungen weitergegeben. Am 20. November findet außerdem ein Fachtag zum Projekt statt. Am Ende des Jahres soll das Gesamtprojekt bewertet werden und zur Weiterentwicklung der Jugendarbeit im Kreis dienen.
Die Gemeinde Achstetten ist in ihrem Prozess bereits weit fortgeschritten: nach einer aktuellen Beschlussfassung im Gemeinderat soll eine 100-Prozent-Stelle für Schulsozialarbeit und offene Jugendarbeit eingerichtet werden. „Das ist für uns und das Projekt natürlich schon ein toller Erfolg“, freut sich Andreas Heinzel.
Stimmen aus dem Jugendhilfeausschuss
Für Landrat Heiko Schmid ist dieses Projekt besonders wichtig: „Wir müssen wissen, was für Strukturen der Kreisjugendring braucht, um alle Bedarfe in Zukunft zu bewältigen.“ Dabei gehe es auch um die Einbindung der Flüchtlinge. Schmid verspricht, dass die Prozesse der vergangenen drei Jahre auch in Maßnahmen münden werden. „Wir werden das Projekt bewerten und es entsprechend in die Haushaltsberatungen mit einfließen lassen“, so der Landrat. „Da kommt einiges auf uns zu, das Projekt soll nicht einfach wieder in der Schublade verschwinden.“
Auch Franz Lemli (SPD) unterstützt dieses wichtige Thema: „Diese Umfrage war nötig und ist sehr aussagekräftig, sie verdient es, weiterverfolgt zu werden.“ Für ihn stellt sich abschließend die Frage, welche konkreten Maßnahmen der Kreis jetzt eingeht und wie diese Maßnahmen finanziert werden.
„Geld in unsere Jugendarbeit zu investieren, ist gut angelegtes Geld“, sagt Heinz Scheffold (CDU). „Junge Leute sollen auch so auf dem Land gehalten werden, das geht aber nur wenn es auch genügend Arbeitsplätze gibt.“
Für Johann Späh (Grüne) war die Onlinebefragung ebenfalls ein wichtiges Werkzeug: „Nur so können wir uns ein Bild der aktuellen Situation machen.“
Manfred Kalfass (Freie Wähler) berichtet, dass dieses Projekt im Gemeinderat Ochsenhausen großes Lob bekommen habe. „Wir sind froh, Teil dieses Projekts zu sein.“
Jugendpfarrer Matthias Ströhle bringt ein, dass es bestimmt schwierig werde, schulfreie Nachmittage zu beantragen, um den Kindern und Jugendlichen mehr Zeit für Vereinstätigkeiten zu schaffen: „Da müssen wir uns aber einfach mit den Direktoren, Schulträgern und Vereinen an einen Tisch setzen.“